Gallup State of the Global Workplace 2023
Von einer Krise in die nächste: Deutschlands Beschäftigte reagieren mit steigendem Stresslevel
- Stress und geringe emotionale Bindung resultieren vor allem aus schlechter Führung
- Emotionale Bindung hat fast viermal so viel Einfluss auf den gefühlten Stress wie der Arbeitsort
- Mehr als die Hälfte der deutschen Beschäftigten bewertet die Situation auf dem Arbeitsmarkt positiv
- Deutschland innerhalb der G7 im vorderen Mittelfeld bei der emotionalen Bindung
BERLIN und WASHINGTON, 13. Juni 2023 /PRNewswire/ -- Der Dauerkrisenmodus, in dem sich die Welt befindet, wird auch in den Unternehmen in Deutschland zunehmend spürbar: Der Stresslevel der Arbeitnehmenden hierzulande hat seit dem letzten Jahr um zwei Prozentpunkte auf 42 Prozent zugelegt und liegt damit über dem europäischen Durchschnitt (39 %). Gleichzeitig bleibt die emotionale Bindung auf einem Tiefstand. Dazu trägt vor allem die am Arbeitsplatz erlebte Führung bei. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt allerdings wird von deutschen Beschäftigten ausgesprochen positiv bewertet. Das zeigt der neue Gallup-Bericht „State of the Global Workplace 2023", für den 122.416 Arbeitnehmende in 145 Ländern unter anderem zu den Themen Arbeitsmarkt, emotionale Mitarbeiterbindung sowie den Gefühlsdimensionen Stress und Wut befragt wurden.
Die gute Nachricht: Mit 39 Prozent geben weniger europäische Beschäftigten an, unter Stress zu leiden als der globale Durchschnitt (44 %). Die schlechte Nachricht: Das Stresslevel in Deutschland ist nach dem Ende der Corona-Krise (+2 %) gestiegen und bewegt sich im europäischen Vergleich mit 42 Prozent im vorderen Drittel. In den anderen Ländern des DACH-Raums dagegen hat sich die Lage im Vergleich entspannt. In Österreich haben sich 36 Prozent am Tag vor der Befragung gestresst gefühlt (-1 %), in der Schweiz 35 Prozent (-5 %). Innerhalb der Länder der G7, den bedeutendsten demokratischen Industrienationen der Welt (Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich, Italien, die USA, Kanada und Japan) ist Deutschland damit im Mittelfeld (G7 insgesamt: 47 %). Kanada (56 %) und die USA (53 %) führen die Liste an, Italien liegt mit 46 Prozent gestresster Arbeitnehmender noch vor Deutschland. Das Stresslevel der Beschäftigten in Japan entspricht dem der Deutschen, es folgen im G7-Ranking Frankreich (40 %) und das Vereinigte Königreich (38 %).
Gute Führung reduziert Stress
Der gestiegene Stresslevel kommt nicht von ungefähr und geht einher mit einer derzeit am Tiefpunkt angekommenen emotionalen Bindung deutscher Beschäftigter an ihren Arbeitgeber. „Hier macht vor allem die Qualität der erlebten Führung den Unterschied. Beschäftigte, die von guter Führung berichten, fühlen sich weniger gestresst und mehr gebunden als Beschäftigte, deren emotionale Bedürfnisse am Arbeitsplatz übersehen oder ignoriert werden. Für die letzten drei Jahre sehen wir einen kumulierten Wert von 16 Prozent, tatsächlich aber war die hohe emotionale Bindung in Deutschland 2022 in der Einzelbetrachtung so niedrig wie seit 2012 nicht mehr"*, sagt Marco Nink, Director of Research & Analytics EMEA bei Gallup. „Natürlich lässt sich Stress am Arbeitsplatz nicht immer vermeiden – es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Zeitdruck durch enge Deadlines kann sich zumindest kurzfristig positiv auf die Leistung auswirken. Wird allerdings aus der Ausnahme ein Normalzustand, den die Führungskraft nicht durch Unterstützung abfedert, kann er mittel- bis langfristig krank machen. Die Daten für Europa zeigen, dass jemand, der gestresst ist, eine 2,5 mal höhere Wahrscheinlichkeit aufweist, wütend zu werden. Unternehmen müssen hier angesichts steigender Stresslevel ein waches Auge haben. Denn Wut ist nicht nur desaströs für die Unternehmenskultur, sondern oft auch disruptiv für die Arbeitsabläufe." Die positivste Entwicklung in Europa in Sachen Stress kann Spanien verzeichnen: Hier ist der Stress um 8 Prozentpunkte auf 36 Prozent zurückgegangen. Europäischer Spitzenreiter ist Griechenland (60 %; -4), das weltweit höchste Stresslevel haben Beschäftigte in der Türkei (68 %; +2).
Europa verschenkt Potenziale: keine andere Region ist weniger emotional gebunden
In Sachen niedriger emotionaler Bindung allerdings sind die Deutschen in Europa in gleichgesinnter Gesellschaft. Europa weist von allen zehn Weltregionen den niedrigsten Grad emotionaler Mitarbeiterbindung auf (13 % gegenüber 23 % weltweit). In Österreich und der Schweiz liegt der Wert mit jeweils 11 Prozent noch darunter. Innerhalb der G7 landet Deutschand auf dem dritten Platz nach den USA (34 %) und Kanada (21 %). Das Vereinigte Königreich weist 10 Prozent auf; Frankreich (7 %), Japan (5 %) und Italien (5 %) schneiden deutlich unter dem europäischen Durchschnitt ab. Damit sind Frankreich und Italien nicht nur Schlusslichter in Europa, sondern gehören auch zu den Ländern, die global die schlechtesten Werte verzeichnen.
„Es werden oft kulturelle Faktoren als Grund für die niedrige emotionale Mitarbeiterbindung in Europa angegeben. Allerdings liegt das Problem nicht in der Arbeits-, sondern in der Führungskultur. Unsere Erfahrungen zeigen, dass bei Unternehmen in Deutschland, die aktiv an der Qualität der erlebten Führung und des Arbeitsumfeldes arbeiten, die emotionale Bindung ihrer Mitarbeitenden im Schnitt bei 40 Prozent liegt und sie diese im besten Fall sogar auf über 60 Prozent steigern können", sagt Marco Nink.
Daten von Gallup zeigen auch, dass emotionale Bindung einen fast viermal so großen Einfluss (3,8) auf das Stressempfinden Beschäftigter hat wie der Arbeitsort. Dazu Marco Nink: „Was Menschen bei ihrer täglichen Arbeit erleben, ist grundsätzlich wichtiger als ihr Arbeitsort. Dieses Muster hat über alle Arbeitsformen – 100 Prozent Remote, hybrides Arbeiten und Arbeiten vor Ort – Gültigkeit. Schlechte Führung und Stress als Konsequenz werden nicht durch die Anwesenheit im Unternehmen wettgemacht, nur weil die Mitarbeitenden sichtbarer sind. In allen drei Szenarien berichten Mitarbeitende, deren emotionale Bedürfnisse übergangen werden, vom höchsten Stresslevel."
Auch wenn das mobile Arbeiten keinen wesentlichen Einfluss auf das Stresslevel hat, sind Unternehmen trotzdem schlecht beraten, ihren Beschäftigten dieses Angebot nicht mehr zu machen. Denn seit der Pandemie hat sich das Homeoffice für die meisten Arbeitnehmenden bewährt. Ein Rückschritt birgt das Risiko, dass Mitarbeitende das Unternehmen verlassen – und das gefährdet bei der derzeitigen Situation auf dem Arbeitsmarkt die Wettbewerbsfähigkeit.
Chancen auf dem Arbeitsmarkt werden von Beschäftigten in Deutschland als vielversprechend wahrgenommen
Die geringe emotionale Bindung resultiert in vielen Fällen in gestiegener Wechselbereitschaft – und die meisten europäischen Beschäftigten bewerten die derzeitigen Chancen, einen neuen Job zu finden, sehr positiv. Insgesamt 56 Prozent der Befragten sagen, es sei eine gute Zeit, den Arbeitgeber zu wechseln, ein Zuwachs von 12 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr (global: 10 Prozentpunkte). Während Deutschland hier genau dem europäischen Durchschnitt entspricht (56 %; +3 %) und insgesamt auf Platz 6 liegt, ist das Vertrauen in den Arbeitsmarkt im Vereinigten Königreich (36 %; -4 %), Frankreich (35 %; +3 %) und Spanien (26 %; -1 %) deutlich geringer. Auch Beschäftigte in den beiden DACH-Ländern Österreich (50 %; +1 %) und der Schweiz (46 %; -2 %) sind weniger zuversichtlich als die Arbeitnehmenden in Deutschland. Am positivsten gestimmt sind die Dänen mit 70 Prozent, Italien liegt auf dem letzten Platz (20 %; +2 %).
Der Gallup Engagement Index Deutschland 2022 hatte ergeben, dass 42 Prozent der hiesigen Arbeitnehmer Ausschau nach einem neuen Arbeitsplatz halten oder aktiv danach suchen (2021: 40 % – 2020: 28 %). Europaweit liegt dieser Wert bei 34 Prozent, weltweit bei 51 Prozent.
„Wenn Arbeitgeber die emotionale Bindung aktiv fördern und sich um das Wohlergehen ihrer Beschäftigten kümmern, reduzieren sie nicht nur deren Stress, sondern stärken neben der Gesundheit und Leistungsfähigkeit auch ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitgebermarke", sagt Pa Sinyan, Managing Partner von Gallup in EMEA. „Trifft allerdings niedrige emotionale Bindung auf ein hohes Stresslevel und werden gleichzeitig die Chancen, einen neuen Job zu finden, gut bewertet, steigt die Offenheit für einen Wechsel des Arbeitgebers. Stress ist langfristig Gift für die Unternehmenskultur und damit auch den wirtschaftlichen Erfolg."
*Für die Studie Gallup State of the Global Workplace werden auf Landesebene die Zahlen der letzten 3 Jahre (2020/2021/2022 = hohe emotionale Bindung in Deutschland: 16 %) konsolidiert. Der im März 2023 veröffentlichte Gallup Engagement Index Deutschland gibt Aufschluss über die jüngsten Zahlen in Deutschland (2022 = hohe emotionale Bindung: 13 %). Vergleichbare landesspezifische Studien wie der Gallup Engagement Index Deutschland werden nur in ausgewählten Ländern durchgeführt, während der Gallup State of the Global Workplace es erlaubt, eine große Zahl an Ländern weltweit zu vergleichen.
Über den Gallup State of the Global Workplace-Bericht 2023:
Für den Gallup State of the Global Workplace 2023-Bericht wurden in 145 Ländern insgesamt 122.416 Beschäftigte befragt, wovon 18.262 Interviews in Europa geführt wurden (38 Länder). Die Interviews wurden telefonisch oder persönlich (mündlich) zwischen April 2022 und März 2023 durchgeführt. Die Auswahl der Befragten erfolgte nach einem Zufallsprinzip. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Arbeitnehmerschaft im jeweiligen Land.
Über das Beratungsunternehmen Gallup
Gallup ist ein forschungsbasiertes Beratungsunternehmen an der Schnittstelle zwischen Ökonomie und Psychologie. Durch kontinuierliche Forschung in über 150 Ländern und mehr als 85 Jahren Erfahrung in der Verhaltensökonomie verfügt Gallup über ein umfassendes Wissen zu den Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeiter:innen, Kund:innen und Lieferant:innen.
Ausführliche Informationen zum Gallup State of the Global Workplace 2023 erhalten Sie hier.
Für Rückfragen, Interviewwünsche und weitere Informationen:
Benjamin Quiram
Klubfaktor Agentur für Kommunikation
Tel.: 0172/7074241
E-Mail: [email protected]
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