Sammlung des Wende-Museums sorgt für Kontroverse auf der 55. Biennale in Venedig
VENEDIG, Italien, 19. Juni 2013 /PRNewswire/ -- Das Wende-Museum erwarb kürzlich eine bedeutende Kollektion frühgeschichtlicher postsowjetischer Optionsscheine, Privatisierungsscheine sowie Gutscheine aus Schneeballsystemen, die Anfang der 1990er Jahre zu den gängigsten alternativen Zahlungsmitteln Russlands gehörten. Russische Geschäftsleute wie Michael Cherney, Oleg Deripaska, Boris Beresowski und Roman Abramowitsch, die später als die Oligarchen bekannt wurden, kauften oder gelangten auf sonstigem Wege an diese Optionsscheine und Zertifikate, die Arbeitern zahlreicher Fabriken und Produktionsgemeinschaften als Kapitalbeteiligung ausgehändigt wurden.
Die Oligarchen setzten dabei auf eine Mischung aus krimineller Vereinigung und gezielter Überzeugungsarbeit: Mit der Begründung, die Anteile seien aufgrund der bevorstehenden Hyperinflation ohnehin bald wertlos, überredeten sie die Arbeiter zum Verkauf. Neben dem „Darlehen gegen Anteile"-Modell von Boris Jelzin, in dessen Rahmen Staatsunternehmen zu einem Bruchteil ihres Werts den Besitzer wechselten, entwickelten sich diese Anteilsscheine zu einer der wichtigsten Quellen für den großen Reichtum der heutigen Oligarchen.
Im britischen Pavillon der 55. Biennale in Venedig, dem prestigeträchtigsten Kunstfestival der Welt, hat der Künstler Jeremy Deller aus dem Vereinigten Königreich mit der Installation und Präsentation der originalen Optionsscheine und Zertifikate aus der Sammlung des Wende-Museums im „Russlandzimmer" jetzt eine Kontroverse ausgelöst und eine gesellschaftliche Debatte in England entfacht. Zentrales Merkmal der Ausstellung We Sit Starving Amidst Our Gold (z. Dt.: Hungernd sitzen wir inmitten unseres Goldes) ist ein Wandgemälde des viktorianischen Designers und sozialistischen Politikers William Morris, auf dem er als gigantischer mythologischer Superheld abgebildet ist, der gerade die Jacht des Industriemagnaten Roman Abramowitsch ins Meer wirft. Abramowitsch und die übrigen Oligarchen sind bedeutende Akteure der Kunstwelt und zählen zu den wohlhabendsten Bewohnern des Vereinigten Königreichs. Die verbotenen Quellen ihres Reichtums werden in der überlebensgroßen Präsentation der neuesten Sammlung des Wende-Museums bildlich dargestellt.
Deller, der 2004 mit dem Turner Prize ausgezeichnet wurde, erklärte: „Es ist unglaublich wichtig, dass es Institutionen wie das Wende-Museum gibt, die Gegenstände aus einem derart faszinierenden Moment der Weltgeschichte sammeln. Sammlungen wie diese und die Bereitschaft des Museums, seine Ausstellungsstücke auf Leihbasis zur Verfügung zu stellen, sind das Lebenselixier von Künstlern wie mir, die viel Spaß daran haben, sich auf spielerische Art mit der Geschichte auseinanderzusetzen."
Das deutsche Wort Wende bedeutet „Transformation" oder „Veränderung" und wird häufig gebraucht, um die Entwicklung vom östlichen Kommunismus zum westlichen Kapitalismus zu umschreiben.
English Magic ist bis zum 24. November im britischen Pavillon zu sehen. Im Laufe des Jahres 2014 wird die Ausstellung zudem in drei weiteren Museen des Vereinigten Königreichs präsentiert. Der britische Pavillon ist online vertreten: www.britishcouncil-venice.org.
Das Wende-Museum ist eine Kunst- und Bildungsstätte, die die traditionellen Grenzen zwischen wissenschaftlicher Forschung, Museumspraxis und gesellschaftlichem Engagement transzendiert. Seit seinen Anfängen als Basisorganisation im Jahr 2002 hat sich das Wende-Museum zu einer außerordentlichen humanitären Quelle für kulturell bedeutende Artefakte und persönliche Hintergründe aus der Zeit des Kalten Krieges in Osteuropa und der Sowjetunion entwickelt. Die Sammlung des Museums dient als Inspiration für ihr Programm. Oftmals kommt es dabei zu ungewöhnlichen Gemeinschaftsprojekten mit Partnerinstitutionen, zeitgenössischen Wissenschaftlern und Künstlern. Von Taryn Simon, Thomas Demand und Shepard Fairey bis zu Retna, Vitaly Komar und Sam Durant – das Wende-Museum hat bereits mit zahlreichen herausragenden Künstlern zusammengearbeitet. Durch die Ausstellung von Artefakten aus der Vergangenheit ist es dabei verschiedenen aktuellen Problemen auf den Grund gegangen.
Das Wende-Museum ist unter der Anschrift 5741 Buckingham Parkway in Culver City im US-Bundesstaat Kalifornien zu finden. Das Museum ist freitags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Touren starten jeweils um 11:30 Uhr und 14:00 Uhr – und von Montag bis Donnerstag nach Absprache. Der Eintritt ist kostenlos. Im Jahr 2014 wird das Wende-Museum in das ehemalige Waffenlager von Culver City umziehen und den Umfang seiner Ausstellungshallen verdreifachen. Als Teil eines Kulturkorridors von einer Meile Länge, der viele verschiedene permanente öffentliche Kunstinstallationen sowie Veranstaltungsorte für Livemusik, Theater und Museen umfasst, wird es sein herausragendes Angebot für die Öffentlichkeit weiter ausdehnen. www.wendemuseum.org
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